UMCA WORLD RECORD ATTEMPT
ALICE SPRINGS – AYERS ROCK RESORT
452 KM, START: 25.10.2003, 02.30 UHR
VORBEREITUNGEN, VORFELD
 
Die Vorbereitungsarbeiten hatten schon etwa drei Monate vor dem Rekordversuch begonnen. In einem ersten Kick-Off-Meeting hatten Alex und ich mal die Aufgaben bis zum Rekordversuch festgelegt. Zuerst war einmal ein guenstiger Termin zu finden, der sowohl in unseren Uni-Stundenplan, in Alexs Saisonplanung und auch den Wetterbedingungen im Zentrum Australiens gerecht wird. Das Klima im Zentrum Australiens laesst eigentlich nur 2 Monate fuer so ein Unterfangen zu, das sind April und Oktober. Von Mai bis September sind die Tage zu kurz und es ist in der Nacht zu kalt (Minusgrade!), um zu radeln. Von November bis Maerz ist es viel zu heiss, man muss da taeglich mit Temperaturen ueber 40 Grad rechnen. Ein anderes grosses Problem ist der staendig wechselnde, starke Wind, der genau im Oktober und April ein bisschen nachlaesst. Nach genauem Studium der Klimadiagramme und nach Ruecksprache mit dem Meteorologischen Buero in Alice Springs wurde als Starttermin der 25. Oktober 2003 (Ersatztermin einen Tag spaeter) festgelegt.
Die Strecke von Alice Springs nach Ayers Rock Resort (Yulara) betraegt uebrigens 452 km, und der aktuelle Rekord, gehalten vom Australier Lloyd Willis seit dem Jahre 1994 stand bei 16:12 h. Daher legten wir als Startzeit 02:30 nachts fest, weil Alex dann erstens bei angenehmen Nachttemperaturen (fuer Oktober waren hier etwa 15 Grad vorhergesagt) starten koennte und der Wind nachts nie so stark ist, und er wuerde knapp vor Sonnenuntergang (18:49) in Yulara eintreffen, falls er den Rekord knacken sollte also um 18:42. So eine Art natuerliche Motivation also. Zusaetzlich kam hinzu, dass Yulara bis etwa 18.00 voll mit Touristen sein wuerde, die auf die Fahrt zum Sunset-Strip warten (also dort, wo man sich das Farbenspiel am Ayers Rock anschauen kann, der sich bei Sonnenuntergang von rot ueber purple und braun auf schwarz verfaerbt), wuerde Alex also den Rekord pulverisieren, waere auch fuer Zielpublikum gesorgt.
Als naechstes kaempften wir uns durch den buerokratischen Dschungel und meldeten den Rekordversuch bei der UMCA (Ultra-Marathon-Cycling Association). Dann mussten wir uns um eine Filmgenehmigung fuer den Uluru-Kata Tjuta Nationalpark kuemmern (was aber abgelehnt wurde, weil so ein Unterfangen laut Nationalparkmanager nicht mit der "original idea of the traditional owners" uebereinstimmt (was am Ende egal war, weil das Ziel ohnehin ausserhalb des Nationalparks lag). Fluege wurden gebucht. Die Support-Autos fuer den Rekordversuch wurden in Alice Springs gemietet. Unterkuenfte in Alice Springs und Yulara detto. Klaus (der Manager von Alex) hat zahlreiche Sponsoren in Oesterreich gewonnen. Als Kameramann wurde Otmar engagiert, der schon einen sehr guten Draht zum DSF (Sport) und auch zum ORF (Sport, Universum) hat. Von Alge wurde eine riesige Digitaluhr aufgetrieben. Ein Helikopter fuer Luftaufnahmen war gesichert. Das UMCA-Regelbuch wurde durchgelesen und studiert. Mit den Public Relations aus Yulara wurde Kontakt aufgenommen und der Zieleinlauf vereinbart. Genaues Kartenmaterial von der Rekordstrecke wurden besorgt. Ein genauer Marschplan (sowohl distanz- als auch zeitbezogen) wurde fuer den Rekordversuch ausgearbeitet, mit drei Szenarien wobei das best case Szenario auf 15 h, das worst case Szenario auf 16 h ausgelegt wurde, also Alex immer noch den Rekord knacken wuerde.
Ein grosses Problem war, einen von der UMCA zertifizierten Schiedsrichter aufzutreiben, der den ganzen Rekordversuch ueberwacht. Nachdem uns alle in Frage kommenden Australier abgesagt hatten, befuerchteten wir schon, dass wir einen aus den USA einfliegen muessten. Da kam uns die Idee, dass ich mich doch bei der UMCA registrieren koennte und Alex wuerde mich als UMCA official dann vorschlagen. Was wir dann auch taten und was auch klappte - mit einem Schlag war das Problem geloest. Wieder mal eine Rolle mehr: Miguel als UMCA - Official. :-)
Das hoert sich jetzt alles viel leichter an, als die ganze Organisation wirklich war, wir gingen hier durch alle Hoehen und Tiefen und litten oft unter dem extremen Buerokratismus, den die Australier als schlechtes Erbe von Commonwealth mitschleppen. Und auch von der Oberflaechlichkeit und extremen Gelassenheit (no worries, mate!), die die Australier manchmal an den Tag leben, was nicht immer vorteilhaft ist. Wenn man zum 5. Mal wo nachfragt und immer wieder so ein "no worries, we will do it" hoert, kann einem schon mal der Kragen platzen.
Doch als der Tag des Rekordversuches immer naeher rueckte, wurde unser Projekt umso konkreter. Auch Form von Alex (trotz all diesen Vorbereitungen und Uni) passte, die einzige Unbekannte waren nur mehr die Witterungsbedingungen. Gespannt verfolgten wir die Wettervorhersagen in der letzten Woche vor dem Rekordversuch, und bald schon wurde uns klar, dass uns ein fuer Ende Oktober uebertrieben heisses Wochenende (Min: 21 Grad, Max: 38 Grad) bevorstehen wuerde. Jetzt gab es kein zurueck mehr, alles war schon gebucht, Klaus, Otmar und Michi (der Bruder von Alex, der als Fahrer des Kameraautos engagiert wurde) befanden sich schon in Alice Springs und waren schon mit Filmaufnahmen beschaeftigt, verschieben daher unmoeglich. Hoffentlich wuerde der Wind passen am Wochenende...
 
DER TAG VOR DEM REKORDVERSUCH
Am 24. Oktober (Freitag) war es dann endlich soweit: Alex, Rosie (aus Tasmanien, studiert wie Alex an der LaTrobe University und hatte mit mir schon einmal bei einem Rennen betreut und auch bei den Vorbereitungen ein bisschen geholfen) und ich flogen fruehmorgens von Melbourne ueber Sydney nach Alice Springs, wo wir etwa gegen Mittag ankamen und von Klaus, Otmar und Michi abgeholt wurden. Zum ersten Mal war das ganze Team vereinigt, zuvor hatten wir meist nur ueber E-Mail oder Telefon kommuniziert. Es war extrem heiss, als wir ankamen, etwa 35 Grad Celsius, und der Wind hatte stark aufgefrischt. Michi, der mit Klaus und Otmar schon seit Dienstag in Alice war, meinte, dass es die ersten Tage windstill war, und dass es erst seit heute so blasen wuerde.
Zuerst gab es ein kurzes Briefing mit Klaus, der die Teamleitung uebernahm, und die Aufgaben fuer den Nachmittag und Abend wurden verteilt, und schon stroemten wir in alle Richtungen aus und begannen, unsere Aufgaben abzuarbeiten. So kuemmerte Alex sich zum Beispiel um sein Rad, waehrend Rosie und Michi die Verpflegung fuer den Renntag kauften und Klaus und Otmar sich um den Helikopter kuemmerten. Ich musste noch einmal mit der UMCA in den USA Kontakt aufnehmen, um zu versichern, dass eh alles passt und kein Formfehler im Vorfeld passiert war. Der genaue Startort musste ausfindig gemacht werden, und dann kommunizierte ich dem Meteorologischen Buero und liess mir fuer das Wochenende genauestens den Wetterbericht inclusive Windverhaeltnisse erlaeutern, da wir ja noch die Entscheidung faellen muessten, ob wir Samstag oder Sonntag starten. Fuer beide Tage wurde extreme Hitze vorhergesagt, die Windverhaeltnisse waren aber am Samstag um einiges besser als am Sonntag. Samstag fruehmorgens war Wind aus Nordwest angesagt, der sich im Laufe des Vormittages ueber Ost nach Sueden drehen und staerker werden sollte. In der Nacht auf Sonntag wuerde der Wind dann in einen Westwind drehen und immer staerker werden. Da die ersten 200 km von Alice nach Sueden fuehren, dann um 90 Grad dreht und 250 km in Richtung Osten geht, waer Sonntag katastrophal gewesen. Samstag war zwar auch nicht optimal, aber um einiges besser als Sonntag, also war klar: Start blieb am Samstag, 02.30 Uhr.
Schnell war das Team informiert, und nachdem ich gegen 5 Uhr nachmittags kurz zu meinem Mittagessen kam (Rosie hatte nach dem Einkaufen aufgekocht), ging es weiter mit den Aufgaben: Zuerst begleitete ich Alex auf seiner letzten kleinen Trainingsfahrt (etwa 30 km) - wir hatten entschieden, dass er die ersten 15 km der Strecke fahren sollte, da diese etwas komplizierter sind, um der Gefahr eines "sich verfahren" vorzubeugen. Wieder zurueck, wurden die Support-Autos (zwei neue Toyota Taragos) mit Sponsoren-Aufklebern vollgepickt, 2 Stecken fuer die oesterreichische und australische Fahne wurden aufgetrieben, Batterien gekauft, ein paar CDs gebrannt und schliesslich die beiden Autos mit allem Zeugs, das wir waehrend dem Rekordversuch brauchen koennten (Verpflegung, Radzubehoer, Werkzeug, Wasser und so weiter) systematisch eingeraeumt, die Funkgeraete wurden getestet et cetera et cetera, und ploetzlich war es 11 Uhr abends. Hoechste Zeit zum Schlafen gehen, Tagwache war fuer uns um 01.00 Uhr angesagt. Alex, der sich gegen 9 Uhr hingelegt hatte, durfte ausnahmsweise bis 01.30 Uhr schlafen, damit er nicht aus dem natuerlichen 90 min Schlafrhythmus gerissen wuerde (und das ging sich genau mit diesen 4 h 30 min aus).
 
DER TAG DES REKORDVERSUCHS
Um puenktlich 01.00 Uhr waren wir wieder raus aus den Federn, anfangs etwas benommen zwar, aber nach eine kurzen Dusche waren wir alle hellwach und voll konzentriert. Der Wind hatte sich wie erwartet, gelegt und die Temperatur war angenehm in Mitte der 20er Grade. Die letzten Vorbereitungen wurden getroffen, Alex aufgeweckt und mit dem Rad in das Auto gesteckt und zum Startpunkt gefahren, wo wir etwa um 01.50 Uhr ankamen.
Ich war zunaechst fuer das Rad zustaendig und stellte klar, dass hier alles passte. Die Lenkergabel wurde noch mal 100 % eingestellt, die Lichter (UMCA-Vorschrift), der Start aufgebaut, Alex mit den noetigen Naehrstoffen versorgt. Als Abschluss verpassten Rosie und ich ihm noch eine Massage (Rosie am rechten Bein, ich am linken), waehrend Otmar das ganze filmte. Otmar und Klaus hatten sogar einen Passanten, der scheinbar gerade vom Fortgehen heimkam, interviewt.
Um 02.15 waren alle Vorbereitungen abgeschlossen, ein kurzes Interview mit Otmar und Klaus folgte, dann ein Startversuch fuer die Kamera, und puenktlich um 02.30 Uhr wurde Alex dann vom Start abgelassen. Von dieser Sekunde an waren unsere Aufgaben fix definiert. Wie in den Rennen zuvor war ich der Fahrer des Support-Autos (ich wuerde also immer hinter Alex herfahren bzw wenn immer er was braucht, seitlich an ihn ranfahren - dafuer hatten wir schon eine eigene Zeichensprache). Weiters war ich fuer die Orientierung, die Ueberpruefung der Marschtabelle (damit das Tempo auch stimmt), Streckeninformationen sowie Wind und Wetterbedingungen, die staendige Information fuer Alex und die Koordination im Supportauto zustaendig, besonders auch, was die Ernaehrung von Alex betrifft, damit er immer ausreichend versorgt war. Rosie war mein verlaengerte Arm und reichte Alex je nach meiner Anweisung das Elektrolytgetraenk Enervit (alle 45 min) und den als so eine Art Nahrungsmittelersatz den fluessigen Kohlenhydratdrink Ensure (alle 60) bzw erinnerte ihn, wenn wieder eine dieser beiden Drinks faellig war. Rosie fuehrte ueber Fortschritt und (fluessige und feste) Ernaehrung Protokoll und war auch ein wesentlicher Bestandteil fuer die Motivationsarbeit - und dafuer gibt es fast keinen besseren - mit viel Freude und Energie feuerte sie den Alex staendig an. Im anderen Auto fuhr Michi, Otmar filmte aus dem Wagen heraus, und Klaus war fuer die Teamkoordinierung und als Kontaktperson zum Supportauto zustaendig.
Alex nutzte die zunaechst perfekten Bedingungen (24 Grad, leichter Ruecken- bis Seitenwind) gleich voll aus und fuhr wie vom Affen gebissen los, die ersten 70 km in genau 2 Stunden. Bald schon aber drehte der Wind Ostwind (also Seitenwind fuer Alex), doch Alex befand sich dank der fulminanten ersten Stunden in einem Bereich, der sogar besser als das Best Case Szenario war. Die Nacht schien Alex nichts auszumachen, ausgeleuchtet von unserem Scheinwerfern hatte er ohnehin beste Sicht und die Witterungsbedingungen waren einfach optimal. Die Scheinwerfer lockten uebrigens auch ein Kaenguruhs an den Strassenrand, die sich das Projekt relaxed anschauten und dann wieder weghoppelten.
Bei Sonnenaufgang gab es dann auch den ersten "Boxenstopp", eine weitere Aufgabe fuer mich und Rosie: Waehrend Alex kurz austrat, putzte Rosie die Lenker ab und entfernte die Lichter, und ich schmierte zur gleichen Zeit die Kette und spruehte die Pedale ein. Dann wurde Alex mit Sonnencreme auf Armen und Beinen versorgt, und nach 4 Minuten war er schon wieder auf der Strecke.
Mit Tagesanbruch wurde auch der Wind immer staerker, drehte sich zuerst auf Suedostwind und dann schliesslich auf Suedwind, ein bisschen frueher als vorhergesagt. Genau gesagt drei Stunden zu frueh fuer unser Unternehmen, Alex hatte mehr als 3 Stunden mit starkem, frontalen Gegenwind zu kaempfen, was ihn sichtlich zu schaffen machte. Nicht nur vom Tempo her, vor allem mental. Nochdazu ging es die letzten 60 Kilometer fast immer staendig leicht bergauf. Durch diese Umstaende bedingt, fiel sein Tempo auf etwa knapp unter 25 km/h herunter. Nicht, weil er sich haengen liess, er gab alles, aber die Umstaende waren entsprechend hart. Natuerlich verlor er dadurch immer mehr an dem Vorsprung auf das Best Case Szenario, den er sich in den fulminanten Anfangsstunden herausgefahren hat, und er liess mich immer oefter ausrechnen, wie schnell er denn fahren muesste, um bis ins Ziel zumindest im Worst Case anzukommen. Als ich ihm 26 km/h ausrechnete, schnaufte er einmal tief durch und antwortete darauf mit einem lauten "Fuck!" So laut und angefressen, dass die Rosie die naechsten 5 min ein wenig eingeschuechtert war. Dann liess er sich sogar vorrechnen, wie langsam er fahren duerfte, um bei der 90 Grad Wende im Worst Case anzukommen. Ich wollte schon sagen, solange er immer noch besser als der Best Case ist reden wir erst gar nicht vom Worst Case, rechnete es ihm aber dann trotzdem aus. Immer wieder liess er mich den Wind kontrollieren (der immer noch aus dem Sueden kam), und irgendwie schien es, als wuerde er uns nicht glauben, als wir ihm gut zuredeten und ihm klarmachen wollten, dass er bis zum Corner durchbeissen sollte, weil es dann wieder staendig leicht bergab gehen wuerde und der Wind nicht mehr von vorne, sondern von der Seite blasen wuerde.
"Des glaub i net, der Wind kummt jetzt schau fast vom Westen!"
Also blieb ich wieder stehen und kontrollierte ihn abermals - der Wind war immer noch aus Suedsuedost. Aber irgendwie waren Rosie und ich mit unserem Latein am Ende angelangt, was Psychologie betrifft, und wir holten uns den Klaus vom Kameraauto, der ja professioneller Psychologe ist. Klaus blieb bei uns im Auto bis zur Wende und fand genau die richtigen Worte, um den sichtlich etwas fertigen Alex wieder aufzubauen und wieder positiv denken zu lassen.
Als wir gegen 9 Uhr morgens schliesslich Erldunda erreichten, Alex in Richtung Ayers Rock abbog und dadurch aus dem Gegenwind Seitenwind wurde, hatte er ploetzlich wieder ein Laecheln im Gesicht, und bald fuhr er schon wieder einen Schnitt jenseits der 30 km/h. Durch die Probleme mit dem Gegenwind war Alex kurzfristig knapp unter das Best Case Szenario gefallen, was er aber bald wieder aufgeholt haben sollte.
Rosie und ich verliessen ihn kurz und tankten das Auto auf und besorgten Wasser. 50 Liter (!) hatten sich als zuwenig heraus fuer das ganze Team herausgestellt, wir kauften noch mal 30 Liter nach. Als wir wieder zum Team aufgeschlossen hatten, war Alex schon wieder mit einem Affenzahn unterwegs. Jetzt war es wichtig, dass er sich durch der Euphorie wegen nicht zu sehr verausgabt. Klaus hatte ja als einen der Hauptsponsoren eine EKG-Firma aufgetrieben, die ihr neuestes Produkt gleichzeitig Alex austesten konnten - ein neues EKG - Geraet, das mit 3 Elektroden an Alex Koerper befestigt war und dessen Daten in Echtzeit mittels Bluetooth-Technik direkt an ein Notebook im Kameraauto uebertragen wurden. Dadurch war es uns moeglich, den Gesundheitszustand von Alex kontinuierlich zu ueberwachen bzw ihn auf das optimale Tempo hin zu ueberwachen.
Die naechsten Stunden wuerd ich als perfekten Rennfortschritt mit perfekter Betreuung beschreiben. Alex spulte wie ein Uhrwerk einen Kilometer nach dem anderen herunter, Rosie und ich versorgten ihn mit all der noetigen Informationen, fluessigen und festen Nahrung und kontrollierten seine Durchgangszeiten mit der Marschtabelle. Er hatte sich wieder einen kleinen Vorsprung auf das Best Case Szenario herausgefahren und wurde nach jeden Checkpoint mit einem Bonuslied aus dem Supportauto heraus belohnt (Rosie und ich waren fast taub, weil wir den Radio auf Anschlag aufdrehten, damit Alex draussen auch noch aufgepusht wird). Otmar filmte inzwischen so ziemlich alles, was man mit einer Kamera nur so einfangen kann, auch abseits des Rekordversuches, tote Kuehe und Kanguruhs standen da genauso auf der Ordnung wie Landschaftsaufnahmen. Klaus und ich koordinierten die beiden Autos immer wieder (teilweise per Funk, teileweise einfach nebeneinander fahrend), die ganze Betreuung lief wie am Schnuerchen, genauso wie bei einem weiteren "Boxenstopps".
"Wie in der Formel 1, knapp unter 7 Sekunden",
meinte Otmar, der so einen Boxenstopp natuerlich auch mitfilmte.
Selbstverstaendlich sorgte das ganze Unternehmen fuer einiges Aufsehen - es passiert dort ja auch nicht alle Tage, dass da einer von zwei voll mit Sponsoren bepickte Autos begleitet in Richtung Ayers Rock radelt. Viele Leute hupten uns an und winkten, andere hielten sogar an und fotografierten uns oder klatschten kraeftig Beifall. Nur einem entgegenkommenden Mega-Roadtrain (etwa 50 Meter lang) war das ganze anscheinend voellig wurscht, ohne auch nur irgendwie auszuweichen oder zu bremsen fuhr er vollgas an uns vorbei und huellte uns in eine riesige Wolke aus Staub und Sand ein. So ein Trottel, dachte ich mir.
"What a dickhead!"
sagte Rosie im gleichen Augenblick. Alex blieb kurz stehen, weil die Sicht fuer kurze Zeit absolut Null war, Rosie hatte innerhalb weniger Sekunden einen nassen Fetzen zur Hand und putzte Alex ab, und schon ging es wieder weiter.
Die Temperaturen hatten uebrigens knapp nach Mittag 39 Grad erreicht, viel zu heiss fuer diesen Monat. Alex schien diese Hitze nichts auszumachen, die Gefahr eines Sonnenstichs war aber trotzdem gegeben. So wurde ein letzter Boxenstopp eingelegt, wir verpassten Alex unter dem Helm mit einem Leiberl einen improvisierten Sonnenschutz –
"he looks like a member of Taliban now"
meinte Rosie kichernd, auf den leicht arabischen Look von Alex ansprechend. Sicherheitshalber noch mal eine fette Schicht Sonnencreme auf Arme und Beine geschmiert (die war vorher beim Staubwegwischen auch ein bisschen weggegangen), und schon ging es weiter.
Bald schon war auch klar, dass es schon mit dem Teufel zugehen muesste, damit Alex den Rekord nicht mehr brechen wuerde. Eine Schrecksekunde musste Alex aber noch ueberstehen, als Michi mit dem Kameraauto bei Filmaufnahmen etwas unachtsam war und ihn unabsichtlich von der Strasse in den Sand abdraengte. Ein platter Reifen, und schon waere wertvolle Zeit verloren. Gottseidank ist nicht viel passiert, Alex war kurz aus dem Rhythmus, aber hatte sich bald wieder gefangen. Das neue Ziel hiess nun, die Strecke unter 15 h zu absolvieren.
Etwa 50 Kilometer vor dem Ziel verliess uns das Kameraauto, um zum Ziel vorzufahren, dasselbige aufzubauen und anzukuendigen, wann Alex ungefaehr eintreffen wird. Weiters wurden die letzten Kilometer auf der Strasse markiert, um die Dramaturgie des Zieleinlaufes zu erhoehen. Alex legte inzwischen noch einmal einen Zahn zu und fuhr die letzten zwei Stunden kaum mehr unter 35 km/h, befluegelt einerseits von der sicheren Gewissheit, den bestehenden Weltrekord zu pulverisieren, andererseits von dem schon sichtbaren Ayers Rock.
Auf dem letzten Kilometer drueckten wir Alex noch die australische und die oesterreichische Fahne in die Hand, und unter dem Applaus des Managements des Ayers Rock Resort und vieler Touristen erreichte Alex knapp vor halb 6 Uhr abends das Ziel. Der Weltrekord war pulverisiert, die neue Marke lautete 14:56:33. Ein paar Touristen liessen sich mit Alex fotografieren, nachdem er sich mit der grossen Digitaluhr von Alge fuer die Presse ablichten hat lassen. Rosie verpasste ihm hinterruecks ein Champagnerbad (Formel Eins Style!), Alex wurde von einer lokalen Zeitung interviewt, ehe Klaus und Otmar auch noch ein Interview mit ihm fuer die eigenen Filmaufnahmen durchfuehrten. Rosie und ich verstauten inzwischen das Rad und raeumten das Supportauto wieder so um, dass auch Alex darin Platz fand.
Alex war fix und fertig, aber happy, als ich ihn in unsere Unterkunft in Yulara fuhr. Die anderen schauten sich gerade den Sonnenuntergang ueber dem Ayers Rock an. Ich hatte das ganze Spektakel ja schon mal gesehen, darum meldete ich mich gleich freiwillig, auf den Sonnenuntergang zu verzichen.
In der Unterkunft hatte uns das Ayers Rock Resort Management eine Flasche Wein mit Glueckwunschkarte fuer "Alex and Team" hinterlassen, eine echt nette Geste. Nachdem alle noetigen Sachen in die Unterkunft geschleppt worden war (und die anderen vom Sunset zurueckwaren), huepften Rosie und ich noch in den Resort-Pool und bloedelten ein bisschen im Pool herum. Rosie schwimmt taeglich 2 - 3 km in einem Pool, ist also extrem fit. Trotzdem hab ich sie bei unserem Lagenrennen (je eine Laenge in jedem Schwimmstil) reingehauen... :-)
Der Abend klang dann gemuetlich bei einem netten Dinner (Self-Barbecue + Salatbuffet = superlecker) aus. Das macht sich das Restaurant dort auch einfach - man kauft sich das Fleisch dort und muss es sich dann selber am Barbecue zubereiten. Damit sparen sie sich praktisch den Koch. Anyway, ich hab mir gleich die ganzen australischen Viecher (Krokodil, Emu, Kaenguruh) besorgt und auf den Grill gehauen. :-) Mit einem Glaeschen Sekt wurde auf das erfolgreiche Projekt angestossen, und bald waren wir schon in unseren Betten, wir alle hatten einen langen Tag hinter uns und ein bisschen Schlaf nachzuholen.
 
TAG EINS NACH DEM WELTREKORD
"Komischer Weckton", denk ich mir noch, als ich Sonntag morgens wach wurde. Ich hatte mit Rosie in einem Viererdorm geschlafen, waehrend die anderen alle in einer Vierer-suite waren. Rosie hatte gesagt, sie wuerde auf Alarm stellen, damit wir rechtzeitig aufstehen wuerden. Mitten in der Nacht um 1 Uhr war dann der Alarm losgegangen (sie hatte ihn noch irrtuemlich vom Vortag eingestellt) und ihn dann dramhappert abgestellt, und der komische Weckton war dann ein Anruf von Alex, wo wir denn bleiben wuerden. Kaum waren wir bei den anderen, kursierten schon die wildesten Geruechte, warum Rosie und ich denn verschlafen haetten und was der Grund dafuer war.
"Yeah, yeah, whatever..."
Interviews waren angesagt, und fruehmorgens ist das Licht fuer die Kamera viel besser als zu Mittag, deswegen wurden wir schon so bald aus den Federn gehauen. Also wurde das ganze Kamerazeug auf einen Aussichtshuegel von Yulara geschleppt, zig Fotos von Alex und den Team-Mitgliedern wurden geschossen (mit Ayers Rock im Background) und mit jedem einzelnen Interviews durchgefuehrt. Nachdem Alex seine Antwort zehnmal umformuliert hatte, bis es endlich mit den Vorstellungen von Klaus uebereinstimmte, war ich dann dran. Ich hab so einen derartigen Scheiss dahergeredet, dass ich fragte, ob ich denn nochmal duerfte, was Otmar mit einem "nein, das war eh ok, jetzt ist es schon im Kasten und bleibt drin!" beantwortete, weil uns die Zeit schon wieder ein bisschen davonlief.
Rosies Interview war dagegen extrem cool. Auf die Frage, wieviel Alex denn getrunken haette, meinte Rosie
"about 15 litres of water mixed with electrolytes, and about 8 litres of some liquid nutrition..."
"Na, des geht net, I hob an die Presse schau gschribn, dass er 30 Liter wasser trunken hat - Rosie, can you tell him that Alex drank about 30 litres of water?"
unterbrach Klaus.. Also das ganze nochmal, und Rosie sagte mit derart theatralischer Stimme, dass er 30 Liter Wasser getrunken haette und fuegte mit einem Riesengrinser hinzu.
"And this is really a lot of water!".
Der Bruder von Alex, der das Mikrofon gehalten hatte, bekam gegen Ende ploetzlich einen kleinen Schwaecheanfall, irgendwie war ihm alles ein bisschen zu viel geworden in den letzten Tagen - Jetlag, wenig Schlaf, Hitze usw.
Als naechstes fuhren wir in den Uluru - Kata Tjuta National Park rein und statteten dem Ayers Rock und dem Cultural Centre einen Besuch ab. Alex und Rosie wollten den Berg eigentlich besteigen, auf Grund der grossen Hitze (38 Grad) war er aber gesperrt, wie immer, wenn mehr als 36 Grad, Regen oder Nebel angesagt sind.
"Und was ist, wann wir trotzdem raufkraxeln", fragte mich Alex.
"Wenn sie dich erwischen, dann zahlst du ordentlich Strafe, 500 Dollar oder so, sofern ich mich richtig erinnere" antwortete ich.
Falsch erinnert - "Fine: 5500 AUD" stand da auf einem Schild, wenn man den gesperrten Felsen trotzdem besteigt. Also fuhren wir nur mit dem Auto herum und Otmar filmte die ganze Zeit. Ein Ranger fragte einmal, was wir denn da genau machen, worauf Otmar meinte
"It is just for my private Home-Video",
was ihm die Rangerin doch echt abkaufte, und das trotz der Riesenkamera, mit der Otmar filmte... ?
Fuer den Nachmittag waren Hubschrauberaufnahmen geplant gewesen, die aber leider ins Wasser fielen, weil der Wind viel zu stark war und es der Pilot nicht riskieren wollte, mit dem Hubschrauber tiefer als 500 Feet (etwa 150 Meter) zu gehen. So stellten wir am spaeten Nachmittag noch ein paar technische Aufnahmen nach, ehe wir dann knapp vor Sonnenuntergang uns wieder in Richtung Alice Springs aufmachten. Klaus und Otmar fuhren zum Sunset-Strip, um sich den Sonnenuntergang dieses Mal vom besten Spot anschauen zu koennen. Alex und Rosie konnten leider ihr Permit fuer den Nationalpark nicht mehr finden, und nochmal 17 Dollar fuer den Eintritt zu zahlen war ihnen dann zuviel gewesen, also machten wir (Alex, Rosie, Michi und ich) uns auf dem Weg zurueck nach Alice Springs.
Michi und ich waren in den letzten beiden Tagen ohnehin genug gefahren, also liessen wir Rosie dieses Mal ans Steuer. Da die Highways nach dem Anbruch der Dunkelheit relativ gefaehrlich werden koennen wegen Kaenguruhs und anderen Viechern, die dir in das Scheinwerferlicht springen koennen, und man daher bei Nacht nimmer so schnell fahren soll, schlug Michi vor, dass Rosie doch ein bisschen aufs Gas steigen sollte. Im Northern Territory gibt es naemlich keine Geschwindigkeitsbeschraenkungen (im Gegensatz zu allen anderen Staaten in Australien, wo 110 km/h das hoechste der Gefuehle sind). Als die Tachometernadel 130 km/h zeigte, meinte Rosie aufgeregt
"Wow, I have never been driving that fast!"
"If you don't want to drive that fast, Rosie, no worries, just do it if you feel safe!"
antwortete Michi. Wenige Augenblicke spaeter war Rosie schon mit 180 Sachen unterwegs, und einem Riesengrinser im Gesicht. Als es dann nachts wurde, uebernahm ich das Steuer und fuhr die letzten 300 Kilometer zurueck nach Alice Springs. Wir hatten Glueck weil wir auf dem ansonsten in der Nacht wie ausgestorbenen Highway fast die ganze Strecke einem Auto zuegig nachfahren konnten und damit die Gefahr einer Kollision mit einem Tier fast 0 war.
In Alice Springs angekommen, luden wir den Wagen aus und entfernten alle Sponsorenpickerl wieder, was relativ einfach ging. Unser Warnzeichen "Caution: Cyclist Ahead!", das mit stinknormalen Tixo raufgeklebt war, haetten wir aber fast nicht mehr heruntergebracht, so fest klebte das Ding! Waehrend Michi (der seit seinem Kollaps sich sehr schwach fuehlte und etwas Fieber hatte), Alex und Rosie sich schon aus Ohr hauten, kaempfte ich noch bis 1 Uhr mit dem bloeden Tixo.
 
TAG DER HEIMREISE
"I am going for a run, are you coming, Mike?"
Es war sieben Uhr morgens, als mich Rosie aufweckte. "Crazy chick", dachte ich mir und sagte es auch ?, aber ich war gleich in den Laufschuhen, und sogar Alex begleitete uns. Wir rannten etwa 2 km den ausgetrockneten Todd River entlang bis zum Anzac Hill, von dem aus man einen schoenen Ausblick auf Alice Springs hatte. Ich machte dort ein bisschen Gymnastik und genoss die Aussicht, Alex drehte um und rannte wieder heim und Rosie wollte direkt weiterlaufen, also trennten wir uns dort oben.
Auf meinem Weg zurueck lief ich durch die Stadt durch, und als ich in eine Seitenstrasse einbog, hoerte ich ploetzlich lautes Reifenquietschen, und schon schepperte es. Zwei Maedels waren voll auf einen Kleinlaster aufgefahren, der rechts abbiegen wollte und sich daher zur Strassenmitte eingeordnet hatte. Ich hatte den ganzen Unfall nicht gesehen, war aber sofort zur Stelle. Die beiden Maedels (etwa 20 und 15) standen unter extremen Schock, das juengere Maedchen weinte und hielt sich den Arm, der ihr wehtat, und beide rangen nach Luft, die ihnen aufgrund des Sicherheitsgurtes weggeblieben war. Das Auto war im Arsch, die beiden waren echt glimpflich davongekommen. Polizei und Rettung waren sofort verstaendigt, und nachdem auch andere Leute inzwischen hinzugekommen waren und ich mich vergewissert hatte, dass die beiden ok sind, machte ich mich weiter auf den Heimweg. Ich hatte ja nichts gesehen, also haette ich als Zeuge auch nicht viel aussagen koennen. Als ich Alex und Rosie das ganze erzaehlte, kam Alex mit der Theorie auf, dass mir die beiden Maedels nachgeschaut haben, als ich in die Strasse gebogen bin und daher den Laster uebersehen haben (was ehrlich gesagt gar nicht so weit hergeholt ist). Nachsatz:
"Kaum laesst man den Mike alleine wo hinlaufen, verursacht er schon ein Verkehrschaos!"
Und Rosie sang unseren gemeinsamen Ohrwurm dieses Wochenendes:
"No doubt, this is fame, they constantly scream and shout your name! Maybe they like you?"
Das kann man jetzt interpretieren, wie man will.
In muehsamer Kleinarbeit wurde nun das Fahrrad wieder zerlegt und flugtauglich gemacht, das Apartment auf Vordermann gebracht, das Mietauto aufgetankt und alles fuer den Heimflug vorbereitet. Um 11.20 Uhr ging schliesslich unser Flieger ueber Sydney zurueck nach Melbourne, wo wir gegen 7 Uhr abends ankamen. Projekt Weltrekordversuch war damit fast abgeschlossen, als UMCA offical musste noch einen Bericht an die UMCA schicken, die Rekordanerkennung kann etwa 3 Monate dauern (keine Ahnung wieso das so lange braucht), aber es duerfte sich nur mehr um eine Formalitaet handeln.
 
FERNSEHEN + PRESSE
Wann ist das ganze jetzt im Fernsehen zu sehen? Berechtigte Frage. Antwort: Ich weiss es noch nicht. Otmar versicherte uns, dass das DSF einen etwa zehnminuetigen Beitrag bringen wird, und auch das TW1 wird denselben Beitrag ausstrahlen. Aufgrund der Bluetooth-Geschichte bekommen wir auch Sendezeit im ORF ("Modern Times"), anscheinend wurde im ORF auch schon ein Bericht darueber ausgestrahlt, was etwas ueberraschend war, weil nicht mal Otmar genau wusste, wann es ausgestrahlt wird. Letzten Montag war der Bericht am ORF auch in "Steiermark heute" zu sehen, was ich aber auch ein bisschen zu spaet erfahren habe. Wie auch immer, sobald ich mehr weiss, werde ich euch sagen, wann das Fernsehen das ganze ausstrahlt. Anscheinend soll auch ein Bericht im naechsten "Sportmagazin" und in der neuen Ausgabe der "Tour" (Radzeitschrift) drinnensein.